Veränderung braucht Bereitschaft

Veränderung braucht Bereitschaft

Was verändert sich, wenn sich etwas verändert?
Verändere ich mich — oder nur die Umstände?
Und kann ich dann unverändert bleiben?
Wie muss ich mich verändern um dieselbe Person zu bleiben?
Und was heißt “Person”?
Welche Veränderungen muss ich im Außen anstoßen, damit sie zu mir passen?
Und wie wahrscheinlich ist es, dass es sich wie gewünscht entwickelt?

Was kann ich eigentlich verändern? Worauf oder auf wen habe ich Einfluss?

“Wir können andere nicht verändern, nur uns selbst.”

Diese Erkenntnis ist simpel und schwer. Und in der Praxis vergessen wir sie schnell, wenn wir uns über unseren Partner, die Kollegin oder die bürokratische Struktur einer Behörde ärgern.

Und — obwohl oft zitiert — stimmt er auch nicht hundertprozentig. Eine soziale Bewegung kann zu gesellschaftlichen Veränderungen beitragen. Ein von einer Person angestoßener juristischer Prozess kann große Auswirkungen haben. Und ein klärendes Gespräch vermag meinem Gegenüber zu Einsichten verhelfen, die seine Haltung und sein Verhalten mir gegenüber verändert.

Doch diese Prozesse brauchen Zeit und Geduld, Persistenz. Sie erfolgen meist nicht durch emotionale Dramen oder Drohungen — zumindest halten diese Veränderungen dann nicht dauerhaft, sondern sind meist lediglich akute Zugeständnisse ohne Überzeugung, was sie langfristig sogar gefährlich macht.

Fokussieren wir uns daher heute noch mal auf uns selbst.

Ich kann ändern, was in meiner Macht, meinem Einflussbereich liegt.

Ich kann mein Denken ändern, meine Überzeugungen hinterfragen. Andere Gedanken ausprobieren, andere Daten zulassen und zu neuen Schlüssen kommen. Dafür muss ich jedoch erstmal unterscheiden zwischen dem, was ich glaube und dem, was die Daten tatsächlich hergeben (externe Bedingungen).
Könnte ich die Situation auch anders bewerten?

Ich kann mein Verhalten ändern. Ich kann mir Routinen überlegen, die mich dazu zwingen, mehr Sport zu machen. Ich kaufe keine Süßigkeiten mehr und kündige mein Netflix-Abo um meine Abende nicht mehr mit Schokolade und einem Serienmarathon zu verbringen, sondern … anders.

Ich kann meine Gefühle ändern. Für viele Menschen mag dies der schwerste Schritt sein, erachten wir Gefühle doch oft als etwas, über das wir keine Kontrolle haben — sie überkommen uns.

Doch stimmt das eigentlich? Und was bedeutet das? Bin ich das Gefühl?

Ich möchte dazu einladen, Gefühle etwas distanzierter zu betrachten. Nicht zu negieren! Ich schlage eine De-Identifikation vor.
Wie vieles, was wir lernen, wirkt dies zu Beginn etwas unbeholfen. Die Unsere Sprache kann hier helfen:
statt “Ich bin traurig”: “Ich empfinde Traurigkeit”

Was ist der Unterschied?
”Ich bin traurig” können wir übersetzen in “ich bin Traurigkeit”.
“Ich empfinde Traurigkeit” öffnet den Raum für Tiefe und Weite:
Wo empfinde ich dieses Gefühl?
Was empfinde ich außerdem?

Ich bin mehr, viel mehr.

Ich spüre ein enges Gefühl in meiner Brust, ich merke, wie der Atem drückt. Meine Lippen pressen sich zusammen. Ich nenne es Traurigkeit, Melancholie. Ich lasse sie mich einnehmen, sie geht durch mich durch, ich koste sie aus. Ich atme in sie hinein, lasse den Schmerz in jede Faser. Atme tief und dann … geht sie weiter. Ich halte sie nicht fest, ich nehme sie nur wahr.
Bin ich traurig? War ich traurig? Oder war das nie ein Zustand, sondern eher ein Prozess?

Wenn ich mich von diesem Gefühl löse und es nicht für einen Teil meiner Identität halte, kann ich auch andere Gefühle schneller zulassen.
Nach der Traurigkeit kommt vielleicht die Erleichterung, vielleicht die Zufriedenheit, vielleicht eine kurze Euphorie, danach wieder etwas Melancholie, dann eine ruhige Gelassenheit …

Vielleicht haben wir mehr Talent zu bestimmten Gefühlen als zu anderen, vielleicht — wie in den meisten Fällen von Talent — weil wir mit ihnen mehr Praxis haben. Vielleicht, weil sie uns schon als Kind leichter fielen, vielleicht, weil sie in unserer Umgebung sozialer anerkannter waren, uns vorgelebt wurden, wir Aufmerksamkeit für sie bekommen haben.

Und vielleicht ist jetzt der Moment, an dem die alte Geschichte verändert werden darf:
Ist es denkbar, dass in mir auch ganz andere Gefühle schlummern? Oder eher: Bin ich bereit, andere, überraschende Gefühle zu empfinden? Darf ich das — vielleicht in einem geschützten Rahmen — zulassen?

Ich bin davon überzeugt, dass die Gefühle, denen wir uns nicht stellen mögen, sich anderweitig ihren Weg suchen werden. Genauso wie sich Gedanken, die uns selbst Angst machen, eine größere Macht entwickeln, wenn wir sie unterdrücken.

Whatever you resist, persists.

Wir sollten uns aktiv um unsere Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen kümmern. Sie sind das, was uns ausmacht.

Mit ihnen und durch sie verändern wir uns und unsere Wahrnehmung. Was (welchen Gedanken, welches Gefühl, welches Verhalten) muss ich loslassen, um eine andere Zukunft zu leben?

Impulse:

  • Welche Gedanken schickst Du demnächst mal in den Urlaub?
  • Und welche neuen Gedanken willst Du einladen?
  • Welches Verhalten hat sich vielleicht überlebt — und könnte eine neue Routine vertragen?
  • Wie viele unterschiedliche Gefühle erlebst Du an einem Tag?
  • Hälst Du an einem bestimmten Gefühl fest? Versuchst Du ein anderes nicht zu spüren? Was wäre, wenn Du ihm doch die Tür öffnen würdest?
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