
Wie Mediation hilft, sich neu zu begegnen. Ein Fallbericht.
Eine häufige Herausforderung zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern ist, dass wir an alten Bildern vom Gegenüber festhalten.
Anna* zum Beispiel erinnert ihren Vater als streng – und hält ihn auch heute noch für streng. Sie möchte ihre Tochter vor dem „strengen Großvater“ schützen. Doch war ihr Vater damals wirklich streng aus Prinzip? Oder war er überfordert, voller Sorge, weil Anna in ihrer Kindheit mehrere Unfälle hatte? Vielleicht war seine Strenge ein Ausdruck von Hilflosigkeit – und Anna suchte in ihrer Jugend durch Grenzüberschreitungen nach Freiheit.
Unser Verhalten ist selten nur eine Frage der Persönlichkeit. Es entsteht in Beziehung. Vielleicht war Claus, Annas Vater, zu ihr strenger als zu ihrer jüngeren Schwester Bea, weil Anna als Erste zur Welt kam – in einer unsicheren Zeit für den Vater. Vielleicht hat Bea deshalb eine liebevollere Kindheitserinnerung, weil sie zu einem späteren Zeitpunkt in eine stabilere Familiensituation hineingeboren wurde.
Heute ist Anna erwachsen. Und doch trägt sie das alte Bild ihres Vaters mit sich herum. Es irritiert sie, dass Bea dieselbe Kindheit ganz anders erlebt hat. Gleichzeitig beschäftigt sie der Gedanke, dass ihre Tochter es mit dem Großvater womöglich auch schwer haben könnte – obwohl dieser sich sehr um eine Beziehung bemüht.
Und Claus? Auch er trägt ein altes Bild seiner Tochter mit sich: die wilde Anna, die sich beim Klettern beide Arme brach, die verträumte Schülerin mit den vergessenen Hausaufgaben, die Teenagerin mit bunten Haaren, durch die er sich damals provoziert fühlte.
In der Mediation treffen sich zwei Generationen – zwischen Mitte 30 und Mitte 70. Niemand hat bunte Haare, alle sind pünktlich und offen. Und doch: Sie sprechen übereinander, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Ich frage sie, was sie voneinander wissen – von ihren heutigen Leben. Von ihrer Arbeit, ihren Beziehungen, ihren Sorgen und Wünschen. Und es wird deutlich: Die Vorstellung, den anderen gut zu kennen, verhindert oft ein wirkliches Kennenlernen.
Die vier sind sich teilweise so fremd, dass ich mit ihnen 2 Wahrheiten und eine Lüge spielen könnte — und ich vielleicht nicht mal verlieren müsste.
Diese Erkenntnis berührt. Die Familie beginnt, einander neue Fragen zu stellen. Sie hören sich zu. Langsam, manchmal zögerlich, manchmal laut. Es entsteht Neugier. Und vorsichtige Offenheit.
Wie wäre es, wenn wir uns überraschen ließen – von Menschen, die wir zu kennen glauben? Was könnte entstehen, wenn wir uns einander neu vorstellen, heute, als die Menschen, die wir inzwischen geworden sind?
Wenn du selbst ein Thema mit deinen Eltern, Geschwistern oder anderen wichtigen Menschen klären möchtest, aber nicht weißt, wie du anfangen sollst: Ich begleite euch gerne – mit Respekt, Erfahrung und dem Blick für das, was noch möglich ist.
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(*) In den Fallberichten sind selbstverständlich alle Namen und identifizierenden Hinweise geändert.