
Zugehörigkeit ist das Gefühl, Teil von etwas zu sein und sich darin willkommen zu fühlen.
Dieser einfache Satz beschreibt ein tiefes menschliches Bedürfnis. Zugehörigkeit bedeutet mehr als ein Namensschild auf der Mitarbeitendenliste zu haben oder in einer Projektgruppe mitzuwirken. Sie ist das Gefühl: Ich werde gesehen. Ich darf mitmachen. Ich gehöre dazu.
Doch was passiert mit diesem Gefühl, wenn der Arbeitsalltag sich zunehmend ins Digitale verlagert, der Arbeitsplatz das eigene Wohnzimmer ist – und die Kaffeeküche leer bleibt?
Warum ist Zugehörigkeit so wichtig?
Zugehörigkeit ist ein Grundbedürfnis. Sie wirkt sich direkt auf unser Wohlbefinden, unsere Motivation und unsere psychische Gesundheit aus. In der Arbeitswelt stärkt sie:
- Vertrauen: Wer sich zugehörig fühlt, traut sich, Fragen zu stellen, Fehler zuzugeben und Ideen zu teilen.
- Engagement: Wer sich verbunden fühlt, bringt sich stärker ein – emotional, fachlich, kreativ.
- Resilienz: Zugehörigkeit gibt Halt – besonders in Phasen von Wandel oder Unsicherheit.
- Konfliktfähigkeit: Nur wer sich sicher fühlt, traut sich, Probleme in der Zusammenarbeit zu thematisieren — und selbst ebenfalls Kritik anzunehmen.
Ohne Zugehörigkeit fühlen sich Mitarbeitende schnell isoliert, zögern, sich einzubringen, und entfremden sich zunehmend von der Organisation.
Wie entsteht Zugehörigkeit?
Zugehörigkeit wächst dort, wo Menschen einander erleben. Sie entsteht durch:
- Verlässliche Beziehungen: Wiederholte Begegnungen, gemeinsame Projekte, gegenseitige Unterstützung.
- Gemeinsame Rituale und Erlebnisse: Vom täglichen Stand-up bis zum Sommerfest – sie schaffen Verbindungen.
- Sichtbarkeit und Teilhabe: Wer gehört, gesehen und einbezogen wird, fühlt sich zugehörig.
- Geteilte Werte und Kultur: Eine gelebte, nicht nur verkündete Kultur, in der Unterschiedlichkeit willkommen ist und Beteiligung gefördert wird, stärkt Zugehörigkeit nachhaltig.
Die neue Realität: Zugehörigkeit unter Druck
Die zunehmende Verbreitung von Homeoffice hat die Bedingungen, unter denen Zugehörigkeit entsteht, grundlegend verändert. Viele Teams arbeiten heute dezentral und treffen sich selten persönlich, und wenn, dann meist nur für bestimmte Aufgaben. Da Zugehörigkeit auf dem Prinzip der Nähe basiert, ist diese Nähe heute oft rein funktional organisiert. Was bedeutet das konkret?
- Zugehörigkeit entsteht vor allem dort, wo man häufig interagiert – also im eigenen Team, manchmal auch mit externen Partner:innen.
- Die Identifikation mit der Gesamtorganisation nimmt ab, wenn es keine gemeinsamen Räume, Rituale oder Geschichten mehr gibt.
- Neue Mitarbeitende tun sich schwer, „anzukommen“, da sie keine geteilte Vergangenheit mitbringen und kaum Gelegenheit haben, informell Teil der Kultur zu werden.
Zwei Beispiele aus der Praxis
Antje, Anfang 40, kam während der Pandemie in eine neue Firma – ein reines Remote-Unternehmen ohne Büro. Sie arbeitet in wechselnden Projektteams, sieht ihre Kolleg:innen nur auf dem Bildschirm. Antje vermisst die spontane Begegnung an der Kaffeemaschine, das gemeinsame Lachen, den „kleinen Plausch zwischendurch“. Sie fühlt sich oft allein, obwohl sie „ständig in Meetings ist“. Die digitale Zusammenarbeit ist effizient, aber es fehlt ihr an emotionaler Nähe.
Boris, Mitte 30, ist seit einem Jahr in einer 100-köpfigen Firma, in der alle verstreut arbeiten. Er kennt nur sein direktes Team. Wenn er ins Büro kommt, fühlt er sich wie ein Gast auf einer Party, auf der sich alle schon ewig kennen. Die „alten Hasen“ vernetzen sich leicht über geteilte Erinnerungen. Boris bleibt außen vor – nicht, weil ihn niemand will, sondern weil er kaum Chancen hat, Teil der gemeinsamen Geschichte zu werden.
Beide Beispiele zeigen: Zugehörigkeit ist kein Selbstläufer. Besonders nicht in Zeiten verteilter Arbeit.
Was können Unternehmen tun?
Die gute Nachricht: Zugehörigkeit lässt sich beeinflussen – auch im hybriden oder rein digitalen Raum. Es braucht jedoch bewusste Gestaltung und Aufmerksamkeit. Hier einige Impulse:
1. Sichtbarkeit fördern
- Schafft regelmäßige, offene Formate, in denen Menschen sich abseits der Fachthemen zeigen dürfen: z. B. virtuelle Kaffeepausen, Lunch-Lotterien, Walk & Talks.
- Nutzt Formate wie kurze Video-Interviews oder Vorstellungsrunden, um neue Kolleg:innen bekannt zu machen.
2. Informelle Räume ermöglichen
- Nicht jedes Meeting muss effizient sein – manches darf auch einfach „Verbindung“ schaffen.
- Überlegt, ob und wie virtuelle Äquivalente für spontane Begegnungen geschaffen werden können (z. B. offene Zoom-Räume zur Mittagszeit).
3. Gemeinsame Rituale etablieren
- Gemeinsame Start- oder Abschlussrunden, regelmäßige All-Hands-Meetings, kleine Team-Rituale – sie schaffen Rhythmus und Verbindung.
4. Organisationale Geschichten teilen
- Wer erzählt wird, bleibt. Teilt Geschichten über die Entstehung und Weiterentwicklung der Firma, über Herausforderungen, über Werte, über Menschen. Diese Geschichten bilden einen gemeinsamen Rahmen.
- Auch neue Mitarbeitende sollten die Chance bekommen, sich einzuschreiben in diese Erzählung. Durch ihre Geschichten bekommt die Firma neue Perspektiven auf sich selbst.
5. Kultur aktiv mitgestalten
- Führt regelmäßige Gespräche darüber, wie ihr zusammenarbeiten wollt.
- Führungsverantwortliche und interne Berater:innen haben eine Schlüsselrolle: Sie können Brücken bauen, Menschen einladen, Räume des Miteinanders schaffen.
Fazit
Zugehörigkeit ist kein nice-to-have – sie ist Grundlage für Verbundenheit, Motivation und Wirksamkeit. Sie entsteht nicht durch Strukturen allein, sondern durch Begegnung, Beziehung und gemeinsame Erfahrung. In einer Welt, in der physische Nähe seltener wird, braucht Zugehörigkeit neue Formen – und viel bewusste Pflege. Und dabei wiederum können Strukturen helfen — damit es eben nicht nur zur Verantwortung des Einzelnen wird und an seinen individuellen Kompetenzen hängt.
Daher darf sich eine Organisation fragen: Welche Prozesse und Strukturen haben wir, die ein Ankommen und In-Kontakt-Treten bei uns erleichtern? Was fehlt oder wird als störend erlebt? Die neuen Kolleg:innen werden darüber Auskunft geben können — und die „alten Hasen“ wissen vielleicht noch, was ihnen beim Einstieg geholfen hat.
Es reicht nicht, sich auf Tools, Prozesse und Effizienz zu konzentrieren. Wir sollten auch über Nähe, Vertrauen und Gemeinschaft sprechen.
Zugehörigkeit fällt nicht vom Himmel. Sie ist Ergebnis bewusster Gestaltung – und ein entscheidender Faktor für gesunde, lernende Organisationen.
Denn nur, wer sich zugehörig fühlt, bleibt — und bringt sich ein.
Wie steht es um die Zugehörigkeit in eurer Organisation?
Ich begleite Teams und Organisationen dabei, Zugehörigkeit zu reflektieren und neue Formen der Verbindung zu gestalten – auch (und gerade) im digitalen Raum.
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