Mit dem inneren Team der Trauer begegnen

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Nach einem Todesfall im Team ist oft nicht nur die äußere Organisation durcheinander — auch in uns selbst herrscht Chaos. Verschiedene, teilweise widersprüchliche Gefühle und Gedanken tauchen auf: Ein Teil will stark sein und funktionieren. Ein anderer Teil will sich zurückziehen und nur weinen. Wieder ein anderer ist wütend. Und dann ist da vielleicht noch der Teil, der sich schuldig fühlt oder sich schämt, weil du nicht nur und ständig traurig bist.

Es kann sein, dass du dich in dieser Zeit zerrissen fühlst, ungeordnet. Deine innere Organisation ist in Aufruhr. Und vielleicht kann dieser Text dich dabei unterstützen, wieder etwas Ruhe und Organisation hineinzubringen.

Das Wirrwarr der Gefühle

Trauern ist ein komplexer Prozess, der weit mehr als nur die Emotion Trauer umfasst. Nach einem Todesfall können zahlreiche weitere Emotionen auftauchen, auch wenn wir diese zuerst nicht verstehen oder willkommen heißen.

  • Wut: auf den Verstorbenen, weil er gegangen ist. Auf das System, das ihn nicht geschützt hat. Auf dich selbst, weil du nichts getan hast. Wut ist oft ein Versuch, Ohnmacht zu überspielen.
  • Schuld: das Gefühl, versagt zu haben, nicht genug getan zu haben. Schuld gibt die Illusion von Kontrolle zurück: Wenn ich schuld bin, hätte ich es verhindern können.
  • Erleichterung: besonders wenn die Zusammenarbeit schwierig war oder jemand lange litt. Erleichterung ist keine Unmenschlichkeit, sondern eine natürliche Reaktion. Die Scham darüber ist oft das eigentlich Belastende.
  • Taubheit: manche fühlen erstmal gar nichts. Das ist kein Zeichen von Kälte, sondern ein Schutzmechanismus des Nervensystems.
  • Angst: vor der eigenen Sterblichkeit, vor weiteren Verlusten, vor der Intensität der eigenen Gefühle.
  • Kreisende Gedanken: der Drang, alles zu verstehen, alle Informationen zu sammeln, die Situation zu analysieren. Das Gehirn versucht, durch Wiederholung das Unbegreifliche zu verarbeiten.

Das innere Team verstehen

Die Vorstellung vom „inneren Team” hilft, dieses Chaos zu ordnen. Stell dir vor, in dir sitzen verschiedene Persönlichkeitsanteile an einem Tisch – jeder mit eigener Stimme, eigenen Bedürfnissen, eigener Logik. Nach einem Todesfall könnten das sein:

  • Die Starke: Sie will weitermachen, Leistung bringen, keine Schwäche zeigen. Sie sagt: „Wir können uns das jetzt nicht leisten. Die anderen brauchen uns.”
  • Der Trauernde: Er will innehalten, weinen, den Schmerz fühlen. Er sagt: „Wir müssen uns Zeit nehmen. Das war ein wichtiger Mensch.”
  • Der Schuldige: Er sucht nach Fehlern, Versäumnissen, Beweisen für eigenes Versagen. Er sagt: „Hätten wir besser aufgepasst, wäre das nicht passiert.”
  • Die Wütende: Sie ist empört über die Ungerechtigkeit, die Umstände, das System. Sie sagt: „Das hätte nie passieren dürfen. Jemand muss dafür verantwortlich sein.”
  • Der Verdrängende: Er will nicht fühlen, lenkt sich ab, sucht nach Normalität. Er sagt: „Wenn wir nicht dran denken, tut es weniger weh.”
  • Die Erleichterte: Sie fühlt sich befreit, wenn die Zusammenarbeit belastend war. Sie sagt: „Endlich ist diese Spannung weg.” Und dann kommt oft die Scham, die sagt: „Was bin ich nur für ein Mensch?”

Praktische Übung: Die innere Konferenz

Statt diese Stimmen gegeneinander kämpfen zu lassen, kannst du sie einladen, miteinander zu sprechen. Das ist keine esoterische Spielerei, sondern eine Form der Emotionsregulation. Je mehr wie über unsere Anteile wissen, desto besser kennen wir uns und können uns selbst beruhigen und stärken.

Schritt 1: Du als Oberhaupt

Hierzu ist es oft hilfreich, wenn wir neben diesen Stimmen zuerst dich als weises Oberhaupt dieser Konferenz etablieren. Das bedeutet: Du darfst entscheiden, wer wo sitzt, wer wann spricht und was du am Ende mit dem Gehörten machen möchtest.

Das bedeutet auch: Du bist nicht die Starke, der Trauernde oder die Wütende. Dies sind nur Anteile von dir — und alle sind wichtig und brauchen Gehör.

Schritt 2: Welche Teile sind da?

Nimm dir ein paar Minuten Zeit und frage dich: Welche inneren Stimmen höre ich gerade? Gib ihnen Namen oder Eigenschaften: der Gestresste, die Traurige, der Wütende…

Schritt 3: Was sagt jeder Teil?

Lass jeden Teil zu Wort kommen. Du kannst das aufschreiben oder laut aussprechen: „Die Starke sagt: Wir müssen weitermachen. Der Trauernde sagt: Wir brauchen eine Pause.”

Schritt 4: Was braucht jeder Teil?

Die entscheidende Frage: Was braucht dieser Teil, um sich verstanden zu fühlen? Die Starke braucht vielleicht die Sicherheit, dass die Arbeit nicht liegen bleibt. Der Trauernde braucht Zeit und Raum zum Weinen. Der Schuldige braucht vielleicht die Erlaubnis, nicht perfekt zu sein.

Schritt 5: Eine vorläufige Lösung finden

Kannst du eine Lösung finden, die mehreren Teilen gerecht wird? Zum Beispiel: „Heute Vormittag arbeite ich konzentriert, heute Nachmittag nehme ich mir eine Stunde für einen Spaziergang, bei dem ich weinen darf.”

Was tun, wenn ein Teil zu dominant wird?

Manchmal übernimmt ein Teil die Kontrolle: Die Starke erlaubt keine Pause, der Schuldige lässt keine anderen Gedanken zu. Dann hilft es, diesem Teil direkt anzusprechen:
„Ich sehe dich. Ich höre, dass du mir helfen willst. Aber gerade brauchst du nicht die volle Kontrolle. Es ist okay, wenn auch andere Teile da sind.”

Das klingt ungewohnt, doch es kann funktionieren. Indem du den dominanten Teil anerkennst statt zu bekämpfen, nimmt oft seine Intensität ab. Er fühlt sich gehört — und kann loslassen.

Integration statt Eliminierung

Das Ziel ist nicht, bestimmte Teile loszuwerden. Schuld, Wut, Taubheit — sie alle haben eine Funktion, sie alle versuchen, dich zu schützen. Das Ziel ist, mit diesen verschiedenen Anteilen zu kooperieren statt sie zu bekämpfen. So entsteht Raum für Veränderung: nicht gegen die Trauer, sondern mit ihr.

Wenn du lernst, dein inneres Team zu moderieren und als weises Oberhaupt auch die leiseren Stimmen zu hören, wird Trauer integrierbarer. Du bleibst handlungsfähig, ohne deine Gefühle zu verdrängen. Du gibst allen Teilen Raum — und gleichzeitig behältst du die Regie.

Bist du neugierig auf deine Anteile geworden? Gerne begleite ich dich bei dieser Arbeit.

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