Herausforderungen (vor) der Mediation

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(Unnötiger?) Disclaimer: Ich bin Mediatorin — voller Überzeugung. Ich glaube, dass viele Teams, Organisationen, Paare und andere soziale Systeme davon profitieren, sich begleitet mit sich und ihren Konflikten auseinanderzusetzen. Über die finanziellen und sozialen Kosten des (ewigen) Aufschubs habe ich woanders geschrieben. Gleichzeitig ist Mediation nur eine von vielen Möglichkeiten einem Konflikt zu begegnen und ich glaube nicht an Mediation als Allheilmittel.

Und dennoch: Da wägt man ab und grübelt und dann kommt irgendwann der Gedanke, dass vielleicht eine Mediation helfen könnte.

Doch die Entscheidung für eine Mediation ist oft von Unsicherheit und Ängsten begleitet. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die Schwierigkeiten, mit denen Mediand*innen konfrontiert sein können, und bieten Einblicke, wie diese Ängste zu verstehen sind.

1. Unsicherheit über den Prozess

Mediation ist für viele unbekanntes Terrain. Die Unsicherheit darüber, wie der Prozess abläuft, kann Ängste hervorrufen. Menschen sind oft skeptisch gegenüber Veränderungen, insbesondere wenn es um persönliche Angelegenheiten geht. Die Furcht vor dem Unbekannten (Stichwort: Kontrollverlust) spielt hier eine Rolle.

Tipp: Informiert Euch im Voraus über den Mediationsprozess und sprecht Eure Bedenken mit potenziellen Mediator*innen offen an. Auch wenn oft von einem 5-Phasen-Modell gesprochen wird: Die Mediationslandschaft ist wesentlich bunter. Persönlich würde ich sogar sagen: Wenn Euch im Vorgespräch lediglich der Prozess und seine Phasen erklärt werden, prüft Euer Gefühl.

2. Angst vor Machtungleichgewicht

Die Vorstellung, dass einer der Konfliktparteien im Mediationsprozess bevorteilt werden könnte, kann zu Ängsten führen. Gesellschaftliche Hierarchien und Machtstrukturen sind relevant. Vergangene Erfahrungen von Ungerechtigkeit können diese Sorgen verstärken.

Tipp: Wähle eine*n Mediator*in, der / die bereits im Vorgespräch wach und aufmerksam wirkt und durch Nachfragen deutlich macht, ein Gespür für Machtgefälle zu haben. Natürlich — so klar muss ich sein — kann eine Mediation die Strukturen nicht grundsätzlich ändern. Dennoch sollte ein*e Mediator*in sensibel für Machtungleichheiten sein. Dies ist auch der Grund, warum ich das Wort Neutralität nicht zieldienlich finde und lieber von (positionierter) Allparteilichkeit spreche. Nicht jeder Mensch ist gleich und ich werde niemandem gerecht, wenn ich mich blind für gesellschaftliche, politische und soziale Hierarchien mache.

3. Sorge um die Vertraulichkeit

Die Angst vor dem Verlust von Privatsphäre und Vertraulichkeit ist verständlich. Gesellschaftliches Misstrauen gegenüber Institutionen spielt eine Rolle. Das Bedürfnis nach Schutz persönlicher Informationen steht psychologisch im Vordergrund.

Tipp: Ein*e Mediator*in sollte spätestens zu Beginn des Prozesses, idealerweise natürlich vorher, mit den Beteiligten über das Thema Vertraulichkeit sprechen und eine Vereinbarung finden (dies findet bei mir, zumindest in Teammediationen, in der Regel erst vor Ort statt). Wenn Dir dieses Thema besonders am Herzen liegt, sprich potentielle Mediator*innen im Voraus darauf an. Obacht: Kein*e Mediator*in kann Vertraulichkeit gewährleisten. Wer dies behauptet, erzählt, Pardon, Unfug.

4. Angst vor einem ungewissen Ausgang

Die Besorgnis, dass die Mediation möglicherweise nicht zu einer klaren Lösung oder gar einem unerwünschten Ergebnis führt, ist weit verbreitet. Gesellschaftliche Erfolgsnormen spielen hier eine Rolle, da der Druck besteht, dass Konflikte erfolgreich gelöst werden sollten. Psychologisch gesehen steht die Furcht vor Ungewissheit und möglicher Enttäuschung und etwaigen Folgekosten im Vordergrund.

Tipps: Mediationen sind qua Definition ergebnisoffen. Würde man schon wissen, was dabei herauskommt, könnte man sich die Veranstaltung, die ja auch durchaus belastend, teuer und zeitintensiv sein kann, sparen. Daher gibt es hier mehrere Tipps:

  1. Frage Dich selbst, ob Du an Deiner Position (Deinem gewünschten Ziel) unumkehrbar festhältst oder ob Du bereit bist, Dich zumindest ein µ (My) zu bewegen und andere Perspektiven anzuhören.
  2. Insbesondere wenn Dir eine Vereinbarung und wirkliche Klärung wichtig ist, sprich dies im Vorgespräch mit dem / der Mediator*in an. Nicht jeder Mediationsstil ist darauf ausgelegt und sollte entsprechend zu Deinen Bedürfnissen passen.
  3. Es gibt Situationen, da ist es sinnvoller, einen fortlaufenden Prozess durchzuführen. In diesen Fällen steht meist das gemeinsame Wachstum der Mediand*innen im Vordergrund oder es ist notwendig, über mehrere Schleifen immer näher an des Pudels Kern zu kommen und eventuell zwischendurch immer wieder Informationen von außen einzuholen. Dann ist es hilfreich, wenn alle Beteiligten von einer „Ergebnisfokussierung“ ablassen und sich mehr auf sich, die Kommunikation untereinander und ggf. die Zeiten zwischen den Mediationssitzungen konzentrieren.

Insgesamt ist es wichtig zu erkennen, dass Ängste vor und während einer Mediation normal sind. Bei der Auswahl einer Mediatorin sollten potenzielle Mediand*innen auf ihre Bedenken achten, diese offen ansprechen und sicherstellen, dass der gewählte Mediator einfühlsam und kompetent ist, um den Prozess gut und sicher zu begleiten.

5. Schamgefühle

Ein weiterer häufig übersehener Aspekt sind Schamgefühle, die Mediand*innen begleiten können. Gesellschaftliche Normen und Erwartungen können dazu führen, dass Betroffene sich schämen, dass es überhaupt zu einem Konflikt gekommen ist. Psychologisch betrachtet kann die Angst vor Verurteilung oder Kritik durch Dritte Scham verstärken. Zudem kann es in der Mediation selbst zu Momenten der (unfreiwilligen) Beschämung kommen.

Tipp: Ein*e erfahrene*r Mediator*in wird einfühlsam mit Schamgefühlen umgehen und eine unterstützende, nicht verurteilende Umgebung schaffen. Es ist wichtig zu verstehen, dass Konflikte ein natürlicher Teil des Lebens sind, und die Mediation bietet einen sicheren Raum zur Klärung. Scham gilt als Hüterin der Würde. Dieses Bild hilft mir, sie besonders ernst zu nehmen und nicht — wie es bei Übertragungen passieren könnte — selbst zu vermeiden. Daher ist die Berücksichtigung, das Ernstnehmen und Akzeptieren von Schamgefühlen während des Mediationsprozesses entscheidend.